Hier habe ich noch Zitate aus dem Artikel Brigitte"-Heft 26/1997
"Schon der Geruch eines fremden Menschen kann sie töten" von
Harald Willenbrock gefunden:
http://www.drlauda.at/file/rhomberg-mcs.pdf
"Schon der Geruch eines fremden Menschen kann sie töten." Mit diesem Titel und dem folgenden Text wird Cindy Duehring im "Brigitte"-Heft 26/1997 als wohl bekannteste MCS-Patientin und Trägerin des alternativen Nobelpreises vorgestellt:
Die Amerikanerin Cindy Duehring, 35, lebt das unfreiwillige Leben einer Eremitin. Nachdem 1985 ihr Apartment mit einer starken Chemikalie gegen Flöhe behandelt wurde, überlebte sie nur knapp: Ihre Niere versagte, ihr Atem kam zum Stillstand und ihr Immunsystem kollabierte, indem es Antikörper gegen die eigenen Zellen entwickelte. Cindy Duehring ist allergisch gegen sich selbst.
In den folgenden vier Jahren verschlechterte sich Duehrings Gesundheitszustand immer weiter. Ungefilterte Luft und feinste Spuren von Chemikalien sind seitdem für sie lebensgefährlich. Sie überlebt nur dank ihres hermetisch abgeriegelten Hauses in North Dakota, das aus ungiftigen Materialien gebaut wurde und durch mehrere Filtersysteme von der Außenwelt abgeschirmt ist. Zum letztenmal hat sie dieses Haus im September 1989 verlassen. Weil auch Audioreize Anfälle auslösen, kann Duehring weder telefonieren, fernsehen noch Computer oder sonstige elektrische Geräte benutzen.
Seit sie in ihrer "Verbannung" lebt, sammelt Duehring wissenschaftliches Material über die Gefahren chemischer Substanzen. Freiwillige Helfer erledigen für sie die Computer-Recherche und das Abtippen ihres Newsletters "Medical & Legal Briefs: A Referenced Compendium on Chemical Injury". Diesen Monat erhielt Cindy Duehring für ihre Arbeit den "alternativen Nobelpreis". Brigitte-Mitarbeiter Harald Willenbrock führte mit Cindy Duehring ein Fax-Interview. Besucher kann sie nur empfangen, wenn diese sowohl die Kleidung wie ihren Körper über längere Zeit ohne Duftstoffe pflegen. Bisher war das ihr Mann der sie wöchentlich einmal besucht und ihre Eltern.
Cindy Duehring studierte in Seattle Medizin und stand kurz vor ihrem Doktortitel, als ihr Apartment mit Flohpestiziden behandelt wurde. Der Angestellte der Schädlingsbekämpfungsfirma sagte ihr, die versprühten Mittel seien völlig unbedenklich.
Hätte ich gewußt, wie gefährlich diese Chemikalien tatsächlich sind, hätte ich meine Kleidung als Sondermüll entsorgt. Ich wurde extrem krank, zwang mich aber, weiterzuarbeiten. Weil die ersten Symptome einer Grippe ähnelten, brachte ich sie nie mit den Pestiziden in Zusammenhang. Auch die Ärzte führten nicht die entsprechenden Tests durch. Dann brachen meine Körperfunktionen komplett zusammen. Die Chemikalien beschädigten mein Nervensystem so nachhaltig, daß schon der Kontakt mit geringen Spuren von Chemikalien, wie sie zum Beispiel in Parfüms oder Reinigungsmittel enthalten sind, genügte, um bei mir schwere Anfälle hervorzurufen. Meine Niere wurde schwer geschädigt, und ich habe bereits mehrmals Nierenversagen überlebt. Der Chemikalienschock brachtemeinen Körper dazu, eine Autoimmunität gegen seine inneren Organe zu entwickeln, was bedeutet, daß er seine eigenen Zellen und Gewebe irrtümlich als "feindlich" identifiziert und Antikörper gegen sie entwickelt. Mehrmals mußte ich nach anaphylaktischen Schocks wiederbelebt werden, die in einem Fall sogar meine Atmung zum Stillstand brachten. Die Anfälle gehen normalerweise mit extremen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen einher. Mehrere Ärzte, die Erfahrung in der Behandlung von Chemiearbeitern nach Arbeitsunfällen haben, sind erstaunt, daß ich überhaupt noch am Leben bin.
Cindy Duehring dachte, ihre Heilung wäre nur eine Frage der Zeit, und deswegen hat sie auch den Kammerjäger nicht verklagt. Als ihr jedoch klar wurde, daß sie nie mehr ein Leben wie zuvor würde führen können, war die Zweijahresfrist für Klagen schon verstrichen. Seit September 1989 kann sie keine Außenluft mehr atmen, weil ihr extrem sensibles Atmungssystem schon auf die in normaler Außenluft enthaltenen Partikel mit bronchialen Anfällen reagiert. Gesichtsfilter oder Beatmungsgeräte helfen nicht, da ihre Filterkapazität nicht ausreicht. Außerdem ist sie meist gegen die Materialien allergisch, aus denen sie hergestellt sind.
Cindy Duehring bekam den alternativen Nobelpreis für ihre Arbeit mit der von ihr gegründeten Organisation "Environmental Access Research Network" (EARN). Sie ist mit ihrer Gruppe vor allem eine Forschungsorganisation. Sie tragen Material über die gesundheitlichen Schäden von Chemikalien zusammen und veröffentlichen sie in ihrem Newasletter. Sie vermitteln auch Experten und Rechtsanwälte für Betroffene.
Im Brigitte-Interview wurde Cindy Duehring gefragt, wie viele Menschen wie sie an Vergiftungen durch Chemikalien leiden. Die Zahlen seien hoch und weiter steigend.
Eine von der Europäischen Union in Auftrag gegebene Untersuchung ergab, daß MCS in einer alarmierenden Geschwindigkeit wächst - und zwar nicht nur in der industrialisierten Welt, sondern auch in Regionen wie dem südlichen Afrika. Eine Studie in den USA belegte, daß vier Prozent der Bevölkerung, also fast elf Millionen Menschen, täglich oder nahezu täglich unter Sensitivitätsreaktionen durch chemische Substanzen leiden. Was kein Wunder sei: Im Oktober 1986 waren knapp 76.000 Chemikalien in kommerziellem Gebrauch, jedes Jahr kommen 1.500 neue hinzu. Nur von den wenigsten wissen wir, wie sie uns beeinflussen.
Auf die Frage, wie viele Chemieopfer wie sie leben müssen, antwortete Cindy Duehring:
Mein Fall ist der extremste, von dem meine Ärzte je gehört haben. Es gibt jedoch einige zehntausend Menschen in den USA, die durch MCS an ihr Haus gefesselt sind. Einige können sich "reine", gefilterte Umwelt, wie ich sie habe, nicht leisten und leben in abgelegenen Gegenden in Zelten oder Hütten. Wenn wir es uns nicht hätten leisten können, dieses Haus zu bauen, hätte ich nicht überlebt. Wir haben keine exakten Zahlen über die Situation in Deutschland, obwohl wir auch dort Mitglieder haben. Bei ihnen hat es einige aufsehenerregende Fälle von Vergiftungen durch Holzschutzmittel gegeben.