@ Erna
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Thommy the Blogger hatte die Übersetzung von Amalie eingestellt
VORTRAG DR: SCHWARZ IN LONDON - 11.03.2009, 18:36:17
Multiple Chemikalien Sensitivität – Wie für die Patienten sorgen?
Eberhard Schwarz, Anke Bauer
Das Auftauchen von Symptomen bei geringen Levels von Chemikalienexposition in seiner schweren Form wird als Multiple Chemikaliensensitivität bezeichnet. MCS ist eine erworbene und chronische Erkrankung mit deutlicher Beeinträchtigung von Wohlbefinden, Arbeit und sozialer Integration. Die Prävalenz von Chemikaliensensitivität mit schweren und oft täglichen Symptomen wird in verschiedenen Ländern auf 0,5% (Deutschland), 3,7% (Schweden), 3,8% (Japan) und 3,9% (USA) geschätzt, respektiv. Eine gemäßigtere Form der Chemikaliensensitivität ohne ausgeprägte Beeinträchtigung der Gesundheit tritt in der selben Population häufig auf (9-33%) [1,7,8,10,11].
Die Diskussion über MCS ist weiterhin bestimmt durch die die Ätiologie der Störung betreffende Kontroverse (psychiatrisch versus toxikologisch). Die anerkannten Risikofaktoren unterstützen keine der extremen Positionen, aber eine Kombination von beiden in einem „Bio-Psycho-Sozial“ Modell der Krankheit: Besonders Personen die nach einer anfänglichen Chemikalienexposition erkranken (meist Lösemittel, Pestizide, Desinfektionsmittel und Formaldehyd) haben ein höheres Risiko für MCS [2]. Andere bisher gefundene Risikofaktoren sind Allergien, Asthma, überreagierende Atemwege, Pseudoallergien und andere Intoleranzreaktionen sowohl auf Lebensmittel oder Medikamente als auch Belastungsstörungen und Angstmerkmale [3,5,9,10,11]. Die Leute, die eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren aufweisen – Exposition plus Empfindlichkeit – haben ein höheres Risiko für MCS [3,5].
Patienten mit MCS leiden häufig unter schwerer Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel (Vertigo), weitflächig lokalisierten Schmerzen, Ausschlägen, Ödemen und vielen anderen Symptomen (Abbildung 1). Aufgrund der Unfähigkeit normale Level von Chemikalienkonzentrationen zu tolerieren, wie parfümierte Kollegen, den Geruch von Laserdruckern oder neuen Möbeln sind die Arbeitslosigkeitsraten bei MCS-Patienten hoch (30-50%) [12]. Soziale Isolation und Lebensqualität entwickeln sich mit der Dauer der Krankheit von schlecht zu schlechter (Abbildung 1). Wenn Krankenhäuser und Wartezimmer von Ärzten nach Desinfektionsmitteln und Parfüm riechen, können die Betroffenen noch nicht einmal medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Und viele Ärzte haben noch nie von MCS gehört [7]. Deutlich mehr als alle Personengruppen mit schweren Primärerkrankungen leiden diese Patienten häufig unter reaktiven psychischen Problemen die auch beachtet werden müssen [4,5,6].
Die erste Vorraussetzung der Behandlung von MCS ist die Minimierung der Chemikalienexposition in den für Diagnose und Behandlung verwendeten Räumen. Parfümierte Produkte sollten nicht verwendet werden, was sowohl die Kosmetika der dort arbeitenden Personen als auch die zur Reinigung, zum Händewaschen oder zur Desinfektion eingesetzten Produkte betrifft.
Die meisten MCS-Patienten zeigen ververteilte Sensitivitäten gegenüber neuroaktiven Substanzen, das bezieht nicht nur Chemikalien, sondern auch oft Alkohol, Koffein und viele Drogen ein. Daher sollte die gefragte Fallgeschichte sowohl Fragen zu allen oben genannten Risikofaktoren als auch Intoleranzreaktionen auf Lebensmittel und Medikamente mit einbeziehen.
Abbildung 1: Lebensqualität in Bezug auf die Gesundheit bei MCS im Vergleich mit Bevölkerungsdaten und Patientengruppen (hohe Werte beziehen sich auf niedrige Lebensqualität)
Aus: (1) Schwarz E et al. [12]; (2) Keinänen-Kiukaanniemi S, et al. (1996): Health Related Quality of Life in Diabetic Patients Measured by the Nottingham Health Profile. Diebetic Medicine 13:382-388; (3) Kohlmann T et al. (1997): The German Version of the Nottingham Health Profile (NHP): Übersetzungsmethodik und psychometrische Validierung. Soz-Präventivmed 42:175-185
Abbildung 2: Effektivität von therapeutischer Behandlung bei Patienten mit guter bis sehr guter Compliance, auf der Station für Umweltmedizin, bei der Dauer von 6, 12 und 24 Monaten nach dem ersten Besuch der Station (n=224) (aus: Research report on long-time follow up [12])
Lebensmittelintoleranzen können zur Fehl- oder Mangelernährung führen, was als erste Priorität behandelt werden muss. Andererseits kann die Verwendung von Medikation zur Behandlung gleichzeitiger Erkrankungen stark eingeschränkt sein und sollte vorsichtig eingesetzt werden.
Die Therapie sollte dem individuellen Fall angepasst sein und besteht aus im ersten Schritt Trainingsmaßnahmen zum Verbessern von Bewältigungsstrategien; Beratung und Empfehlungen zur Reduktion von Expositionen, der Veränderung von Ernährungs- und Lebensgewohnheiten und Nahrungsergänzung. In den Fällen, in denen Depressionen, Angst-, Anpassungs- oder Stressstörungen MCS komplizieren, sollten psychotherapeutische und verhaltenstherapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Dennoch hat sich das nur als effektiv erwiesen, wenn der Psychotherapeut über MCS informiert ist und psychologische Maßnahmen als zusätzlich angesehen wurden (Abbildung 2) [12].
Ambulante Behandlung ist ausreichend bei Patienten, die nur unter mäßigen neurologischen und neuropsychologischen Symptomen, mäßigen Intoleranzen, wenigen Komplikationen und weiteren Erkrankungen, psychosozialer Unterstützung (Familie, Freunde), schlüssigen Ansichten von ihrer Krankheit und nur mäßigen reaktiven psychischen Problemen. Um diese Versorgung zu bieten wird ein breites Curriculum zur Ausbildung von Medizinstudenten und Ärzten im Fach Umweltmedizin benötigt.
Stationäre Behandlung ist bei Patienten mit starken neurologischen und neuropsychologischen Symptomen, starken Intoleranzen, ernsthaften Komplikationen und weiteren Erkrankungen, weiteren Intoleranzen (Lebensmittel, Medikamente gegen weitere Krankheiten), fehlende psychosoziale Unterstützung (Familie, Freunde), nicht schlüssige Ansichten über ihre Krankheit (d.h. etwa „Ich werde von allem vergiftet“), problematischen Bewältigungsstrategien oder schweren reaktiven psychischen Problemen notwendig. Kleine umweltmedizinische Stationen die die oben genannten Vorraussetzung erfüllen, saubere Raumluft und verträgliche Lebensmittel, können leicht in größeren Krankenhäusern integriert werden. Gemäß der auf unseren eigenen Fällen basierten Schätzungen würde ein Bett pro 400.000 Personen in der Bevölkerung benötigt.
Die primären therapeutischen Notwendigkeiten sind Folgendes:
1. Frühere Diagnose und Behandlungsbeginn (die Dauer der Krankheit bei Therapiebeginn ist 5.10 Jahre! [5,12])
2. Verbreitung der Informationen über MCS in Gesundheitsberufen und in der Bevölkerung um Punkt 1 zu ermöglichen.
3. Schaffen eines spezifischen Diagnosecodes in der ICD-10 und DRG, anders als T78.40 (=andere Allergien und Intoleranzen), um die schweren Formen von MCS anzuerkennen und die Behandlung und deren Erstattung zu erleichtern.
Die primären Notwendigkeiten klinischen Forschungsbedarfs sind Folgendes:
1. Identifizierung der zugrundeliegenden Faktoren, die MCS auslösen oder beeinflussen, einschließlich neurobiologischer Veränderungen, sowohl in Bezug auf die endocrino-neuro-immunologische Achse als auch auf genetisch bedingte hohe Reaktionsbereitschaft auf äußere Reize.
2. Die Etablierung von anerkannten Diagnosekriterien, die für klinische und wissenschaftliche Gruppen akzeptabel sind.
3. Effektive Behandlungs-/Bewältigungsprotokolle für MCS, basiert auf
positiver therapeutischer Zusammenarbeit und individuellen Selbsthilfestrategien.
Für weitere Informationen oder zum Download unserer Publikationen verweisen wir auf unsere Homepage:
fklnf.de/umweltmedizin/fachinformationen-und-service/publikationslistedownloads.html#c224
Oder zu dem neusten Entwurfreport einer Arbeitsgruppe der australischen Regierung:
http://www.fklnf.de/fileadmin/downloads/Umwelt/MCS_austr_draft_report.pdf
Authors: Dr. med. Eberhard Schwarz, Dr. rer.nat. Anke Bauer
Fachkliniken Nordfriesland GmbH Tel. 0049 4671 904 140
Unit of Environmental Medicine Fax. 0049 4671 904 240
Krankenhausweg 3 email: dr.eberhard.schwarz@fklnf.de
D-25821 Bredstedt email: dr-anke-bauer@web.de
Germany Homepage: fklnf.de
Referenzen:
1. Andersson L, Johansson A, Millqvist E, Nordin S, Bende M. Prevalence and risk factors for Chemical Sensitivity and sensory hyperreactivity in teenagers. International journal of hygiene and environmental health. 2008 (8. April 2008: epub ahead of print)
2. Ashford NA, Miller CS. 1998. Chemical exposures: Low levels and high stakes. 2nd ed. Van New York:Nostrand Reinhold: xx
3. Bauer A, Schwarz E, Hauf FO, Mai C. Update on Multiple Chemical Sensitivity. Umwelt Medizin Gesellschaft 2008;21(4):9-15
4. Bauer A, Schwarz E, Martens U. Patients with multiple chemical sensitivities: A case for environmental or psychosomatic medicine? Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA). 2007;83:442-446.
5. Bauer A, Schwarz E, Martens U. Exposure and Susceptibility as risk factors for Chemical Sensitivity. Umwelt Medizin Gesellschaft 2004;17:151-159
6. Caress SM, Steinemann AC, Waddick C.. Symptomatology and etiology of multiple chemical sensitivities in the southeastern United States. Arch Environ Health. 2002;57:429-436.
7. Hausteiner C, Bornschein S, Hansen J, Zilker T, Förstl H. Self-reported chemical sensitivity in Germany: A population-based survey. Int J Hyg Environ Health. 2005;208:271-8
8. Hojo S, Kumano H, Yoshino H et al. Application of Quick Environment and Exposure Sensitivity Inventory (QEESI) for Japanese population: Study of reliability and validity of the questionnaire. Toxicol Ind Health. 2003;19:41-49
9. Johansson A, Millqvist E, Nordin S, Bende M. Relationship between self-reported odor intolerance and sensitivity to inhaled capsaicin: proposed definition of airway sensory hyperreactivity and estimation of its prevalence. Chest. 2006;129: 1623-1628.
10. Kreutzer R, Neurta RR, Lashuay N. Prevalence of people reporting sensitivities to chemicals in a population based survey. Am J Epidemiol. 1999;150:1-12.
11. Meggs WJ, Dunn KA, Bloch RM et al. Prevalence and nature of allergy and chemical sensitivity in a general population. Arch Environ Health. 1996;51:275-282.
12. Schwarz E, Bauer A, Mai C, Hauf O, Bobrowski D (2006): Longtime Follow-up of Patients with Chronic Environmental Illness and Multiple Chemical Sensitivity (MCS) following Multidimensional Therapeutic Intervention. (“Langzeit-Verlaufskontrolle bei umweltmedizinischen Patienten einer Fachklinik - unter der besonderen Berücksichtigung der Patienten mit chemischen Intoleranzen bzw. Multiple Chemical Sensitivity (MCS)“) Scientific Report: fklnf.de/fileadmin/downloads/Umwelt/English_Abstract_Follow_up_2006.pdf
13. Schwarz E, Bauer E (2005): Hospital treatment in environmental medicine and multiple chemical sensitivies. In: Environment and Health & Indoor Air Quality. June 13-15th 2005 Conference under the Luxembourg Presidency of the European Union. Publishers: AKUT asbl in cooperation with the Health Ministry of Luxembourg (eu.lu)