Einer flog über das Kuckuksnest

Einer flog über das Kuckuksnest

Beitragvon Juliane » Freitag 31. Oktober 2008, 23:42

Ob das ein Beitrag der FR zu Halloween sein soll???



"Die Nervosität ist dem Mann anzumerken. Werner Maier ist aschfahl, graue Haut, graue Haare, grauer Bart, Zahnlücken. Mit ihm in dem Raum sind ein Psychiater, eine Anästhesistin und ein Pfleger. Man sieht Maier an, dass er ein hartes Leben gelebt hat, Alkohol, Schlafmittel, Verfolgungswahn und Selbstmordgedanken haben ihn gezeichnet.

Der Mittfünfziger wird in der psychiatrischen Klinik in Bad Soden wegen einer wahnhaften Depression behandelt, Maier fühlte sich von seinen Nachbarn bedroht. Jetzt liegt Maier voller Hoffnung in einem Bett und weiß, dass er über die Elektroden auf seiner Stirn gleich Stromstöße bekommen wird. Psychiater Markus Friedrich (die Namen der Patienten und des Assistenzarztes wurden geändert) redet beruhigend auf Maier ein, der sich mittlerweile die Atemmaske eigenhändig aufs Gesicht hält und langsam in die Narkose abgleitet....


Niemand weiß genau, wie die Therapie wirklich wirkt. Angesichts der Schwere der Erkrankung erscheint der durch die Therapie ausgelöste vorübergehende Gedächtnisschwund aber meist als das kleinere Übel."

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1622680_Kein-Flug-mehr-uebers-Kuckucksnest.html
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Einer flog über das Kuckuksnest

Beitragvon Juliane » Freitag 31. Oktober 2008, 23:46

Bajazzo hat hier viewtopic.php?t=7609
zwei kritische Studien eingestellt:




"Die Rose-Studie (2003)

Rose und Mitarbeiter konnten nach systematischer Auswertung von 35 verfügbaren Studien zur Einschätzung der EKT aus Patientensicht keine wissenschaftlich abgesicherten Belege für die häufig vertretene Ansicht der einschlägigen Fachgesellschaften (wie z.B. der Royal College of Psychiatrists) finden, wonach 80% der Patienten nach einer EKT mit dem Ergebnis zufrieden seien. Auch die weitverbreite Ansicht der Fachleute, eine in der Folge einer EKT-Behandlung auftretende Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktionen sei klinisch für die Patienten als harmlos einzuschätzen und verliere sich wieder nach einigen Tagen, konnte in dieser Studie nicht bestätigt werden. Stattdessen gaben über ein Drittel der Patienten an ( in einigen Studien sogar bis zu 55%), im Alltag nach ihrer EKT unter anhaltenden Gedächtnisstörungen zu leiden. Damit wurde erstmals in einer neueren Studie wissenschaftlich belegt, dass es im Hinblick auf die Wahrnehmung und Beurteilung der Nebenwirkungen einer EKT einen deutlichen Unterschied gibt zwischen der Meinung der Betroffenen und der Meinung der Fachleute. Offensichtlich hatte man mit den bis dato durchgeführten neuropsychologischen Untersuchungen die von den Patienten in ihrem Lebensalltag nach einer EKT-Behandlung subjektv beklagten kognitiven Störungen nicht richtig erfasst und somit nicht richtig eingeschätzt. Die Ergebnisse der Rose-Studie machten deutlich, dass - nach nunmehr schon jahrzehntelanger Anwendung der EKT-Behandlung - ein ganz dringender Bedarf besteht an einer gezielten Forschung betreffs der genauen Art und Dauer der von den Patienten beklagten Gedächtnisstörungen, bevor man einschlägige Empfehlungen zu den Nebenwirkungen der EKT geben kann.

Im April 2003 formulierte NICE aufgrund der neueren Forschungsergebnisse seine bisherigen Empfehlungen zur EKT-Behandlung deutlich restriktiver. [3],[4].Dies löste in Fachkreisen große Diskussionen aus.[5]. Auch das Royal College of Psychiatrists (2004) berücksichtigt aber in seinem Handbuch zur EKT inzwischen die Empfehlungen von NICE. [6]. Die Änderung der Leitlinien führte in England zuletzt zur Forderung nach einer grundsätzlichen Neuorientierung bei der klinischen Anwendung der EKT. [7].

In Deutschland hält die Bundesärztekammer derzeit noch weiterhin unverändert an ihrer Stellungnahme zur EKT-Behandlung aus dem Jahr 2003 fest.


Die Sackeim-Studie (2007)
Diese Studie gilt als die erste (!) große methodisch anspruchsvolle Langzeitstudie zur Erfassung der kognitiven Nebenwirkungen nach einer EKT-Behandlung. In der prospektiven naturalistischen Studie wurden 250 Patienten über einen Zeitraum von 6 Monaten nach erfolgter EKT umfassend neuropsychologisch untersucht. Bisherige vergleichbare Studien hatten nur maximal 20 bis 30 Patienten über einen deutlich kürzeren Zeitraum erfasst. Die Studie wurde durch das staatliche NIHM gefördert. Sie gilt deshalb als unabhängig. Die Ergebnisse der Untersuchung erregten großes Aufsehen zumal Sackeim als international anerkannter Experte und Befürworter der EKT-Behandlung gilt. Erstmals gibt es ernstzunehmende wissenschaftliche Belege dafür, dass Beeinträchtigungen der Denk- und Gedächtnisleistungen weitverbreitet und damit charakteristisch sind für die Routinebehandlung mit einer EKT. Sie können auch noch 6 Monate nach dem Eingriff nachweisbar sein. Damit besteht Grund zu der Annahme, dass solche Beeinträchtigungen länger andauern könnten als bisher vermutet (Zitat:“…Regardless, this study provides the first evidence in a large, prospective sample that adverse cognitive effects can persist for an extended period, and that they characterize routine treatment with ECT in community settings.”, a.a.O, S.253). Sackeim konnte auch nachweisen, dass es durch eine EKT-Behandlung zu Beeinträchtigungen der Reaktionsgeschwindigkeit kommen kann. So könnten Patienten nach einer EKT ggf. in ihrem Alltag z.B. beim Autofahren oder dem Bedienen von Maschinen beeinträchtigt sein."

http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrokrampftherapie
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Beitragvon Lennox » Samstag 1. November 2008, 07:09

Sollte es im Jahr 2008 keine weniger nebenwirkungs-, bzw. hirnschädigungsreiche Behandlung geben?
Oder sind die kognitiven Schäden, die durch ECT meist entstehen akzeptabel? Dass es sie gibt weiß man:

http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=18830401
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Beitragvon Maria Magdalena » Samstag 1. November 2008, 20:32

Ich finde, solche obskuren, sadistischen Methoden verdienen, besonders in einem demokratischen Land, kompromisslose Verachtung. Ich bin zutiefst angewidert. Ich frage mich, welches Gesetz hier erlaubt solche Elektroschocks, welche Behörde ist für die Zulassung solcher pseudo-wissenschaftlichen Verfahren zuständig und nach welchen Kriterien?
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Beitragvon Karlheinz » Montag 3. November 2008, 08:20

Bemerkenswert, die Unfähigkeit der Psychiater, zu verstehen, wie es ihren Patienten geht. Vielleicht auch eher Desinteresse.
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Beitragvon Alex » Dienstag 4. November 2008, 11:55

Ich glaube nicht an Desinteresse. Normal zuckt doch jeder innerlich zusammen wenn er Elektroschocks hört.
Warum diese Ärzte nicht. Ich wäre jedenfalls bestrebt bis ins Mark andere Wege zu finden als diese
antiquierten Methoden die gleichzeitig Schaden anrichten. Medizin des 21. Jhr. ist das nicht.
Alex
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Beitragvon Maria Magdalena » Dienstag 4. November 2008, 17:09

@ Alex

Warum nicht? Der Mensch konnte schon immer unglaublich brutal sein. Die Brutalos unter uns werden auch nicht aussterben. Das sind Träger von Entgleisungen in der psychischen Struktur des Menschen. Und die gibt es in allen sozialen Schichten, ohne Ausnahme. Es handelt sich dabei um bestimmte Defizite, die meiner Meinung nach u. a. oder an erster Stelle genetischer Art sind, und die Fachleute werden es vielleicht eines Tages bestätigen können, falls sie nicht schon heute genügend Erkenntnisse aus der Forschung in diesem Bereich gesammelt haben. Wie Du gesagt hast, " normal zuckt doch jeder innerlich zusammen, wenn er Elektroschocks hört ". Die Leute , die solche primitiven Methoden ins Leben rufen und betreiben, können nicht normal sein.
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