Diesen Artikel hatte ich der Schulleiterin geschickt:
Styrol kann beim Menschen doch Krebs auslösen
Das vor allem zur Herstellung von Kunststoffen benötigte Styrol kann
anscheinend beim Menschen doch Krebs auslösen. Bisher hatten die
Wissenschaftler angenommen, dass eine Umwandlung von der Chemikalie in
tumorbildende Stoffe nicht möglich ist. Diese Annahme erweist sich inzwischen
als vermutlich falsch.
Styrol ist eine Flüssigkeit, aus der vor allem Kunststoffe hergestellt werden.
Nach Inhalation von Styrol bilden sich in der Lunge von Mäusen Tumore.
Auslöser ist offenbar die Substanz Styroloxid. Sie entsteht unter dem Einfluss
bestimmter Enzyme in Zellen des Lungengewebes aus Styrol. Bei Ratten wurden
weder diese Enzyme nachgewiesen, noch Styroloxid oder die bei der Maus
beschriebenen Tumore.
Bislang wurde angenommen, dass die für die Umwandlung von Styrol zu Styroloxid
benötigten Enzyme auch beim Menschen fehlen bzw. nicht in ausreichender Menge
vorhanden sind, und dass eine Tumorbildung deshalb nicht erfolgt. Darauf, dass
diese Annahme falsch sein könnte, deuten nun Ergebnisse aus der
experimentellen Forschung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hin.
Dabei gelang es, die an der Styrol-Umwandlung beteiligten Enzyme auch im
menschlichen Lungengewebe mit einer der Maus vergleichbaren Aktivität
nachzuweisen. Das tumorauslösende Styroloxid könnte damit auch in der Lunge
des Menschen entstehen. ,,Für die aktuelle Neubewertung der gesundheitlichen
Wirkung von Styrol und im Bereich der industriellen Verarbeitung dürften die
Forschungsergebnisse des BfR von erheblicher Bedeutung sein", sagt
BfR-Präsident Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel.
Styrol gehört zu den so genannten Altstoffen: Es war bereits vor dem
Inkrafttreten des Chemikaliengesetzes auf dem Markt und hat daher nicht das
heute erforderliche Anmeldeverfahren einschließlich der vorzulegenden
toxikologischen Prüfungen durchlaufen. Auf europäischer Ebene werden
Altstoffe und damit auch Styrol deshalb gerade überprüft.
Ob von einer Substanz ein gesundheitliches Risiko ausgeht oder nicht, hängt
neben der Gefährlichkeit eines Stoffes vom Ausmaß des Kontaktes mit dieser
Substanz ab. Dabei muss es nicht zwingend die Chemikalie selbst sein, die
,,giftig" ist. Auch ihre Metaboliten, Stoffe, die bei der Umwandlung der
Chemikalie im Körper entstehen, können toxische Effekte auslösen. Im Körper
werden Chemikalien mit Hilfe spezieller Enzyme abgebaut. Sie bestimmen auch die
Art der Abbauprodukte. Eine Schlüsselrolle spielen in diesem Prozess die
Enzyme der Cytochrom-P450 (CYP)-Familie, deren Vorkommen und Aktivität sowohl
zwischen Versuchstier und Mensch als auch zwischen einzelnen Menschen erheblich
variieren.
Klassisches Organ für die Metabolisierung und Entgiftung einer Substanz, aber
auch für die Bildung der eigentlich toxischen Umwandlungsprodukte ist die
Leber. Sie enthält verschiedene CYP-Enzyme in unterschiedlichen
Konzentrationen. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Metabolisierung von
Chemikalien haben sich deshalb lange Zeit auf dieses Organ konzentriert.
Schädliche Stoffe können darüber hinaus aber auch in anderen Zielorganen
gebildet werden, die ebenfalls CYP-Enzyme enthalten. Auch hier variieren
Vorkommen und Aktivität zwischen Versuchstier und Mensch.
Als Bewertungsstelle übernimmt das BfR im Rahmen des Anmeldeverfahrens für
Chemikalien die Einschätzung der Wirkung dieser Stoffe auf die menschliche
Gesundheit. Das Institut hat sich in den vergangenen Jahren gezielt mit den
Unterschieden im Auftreten und in der Aktivität von Enzymen in Zielgeweben
beschäftigt und hierzu gemeinsam mit Wissenschaftlern anderer Institutionen
experimentell geforscht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, weshalb
Styrol in Mäusen Lungentumore erzeugt, nicht aber in Ratten und welche der
Wirkungen einer Bewertung des Verbraucherrisikos zugrunde gelegt werden sollte.
Ein entscheidender Schritt für die tumorauslösende Wirkung bei Mäusen ist die
Umwandlung von Styrol in das toxikologisch aktive Abbauprodukt Styroloxid in
der Lunge. Sie erfolgt mit Hilfe zweier Enzyme der CYP-,,Familie".
Untersuchungen der Styrol herstellenden Industrie hatten darauf hingedeutet,
dass diese Enzyme in der menschlichen Lunge nicht vorhanden sind. Ergebnisse
eines Forschungsprojektes, welches das BfR gemeinsam mit dem Klinikum Emil von
Behring in Heckeshorn an einer großen Anzahl menschlicher Lungenproben
durchgeführt hat, deuten nun aber auf das Gegenteil hin: Beide Enzyme sind
auch in der menschlichen Lunge nachweisbar.
Diese Forschungsergebnisse sind ein wichtiger Baustein für die aktuelle
Risikobewertung von Styrol. Das Vorkommen der beiden für die Umwandlung von
Styrol zu Styroloxid verantwortlichen CYP-Enzyme in der menschlichen Lunge
deutet darauf hin, dass auch beim Menschen eine tumorauslösende Wirkung
möglich ist. Die Frage, ob die Enzyme in einer für die Tumorbildung
relevanten Menge vorkommen, kann anhand der Daten noch nicht abschließend
beantwortet werden. Von Bedeutung könnten die neuen Erkenntnisse vor allem
für Menschen sein, die in Herstellungsprozesse eingebunden sind, in denen
Styrol als Grundchemikalie eingesetzt wird.
WANC 01.09.06
Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/special/01_09_styrol.php